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Wie würden wohl die nachfolgenden Generationen später berichten, wenn der Superstar Beyoncé in heutiger Zeit im Lichtspielhaus Riedlingen auftreten würde ? Da wäre doch eine Erinnerungstafel am Kino das Mindeste und die Bretter der Bühne wären wahrscheinlich einzeln verkauft worden.

Ganz in Vergessenheit geriet der Auftritt eines absoluten Weltstars vor etwa 80 Jahren, genau auf dieser Bühne.
Keine geringere als die damals schon weltberühmte

JOSEPHINE BAKER

trat am 3.Juni 1945 im damaligen Stadttheater Riedlingen auf.
Sie war, nicht nur als provozierende afroamerikanische Star-Tänzerin weltbekannt, sondern auch als Widerstandskämpferin der französischen Résistance.

Die schwarze Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin wurde vor mehr als einem Jahrhundert unter ärmsten Verhältnissen in den amerikanischen Südstaaten geboren. In ihrer Kindheit erlebte sie Pogrome und nur durch ihre Leidenschaft für den Tanz konnte sie sich aus den elenden Verhältnissen retten.

Nach mühsamen Anfangsjahren in New York, wird sie 1925 in Paris zum Star der Folies Bergère. Von dort aus erobert sie Europa und bald liegt ihr die ganze Welt zu Füßen.

Nur in ihrer ursprünglichen Heimat in den USA, erlebt sie bei einem Besuch, dass sich dort nichts verändert hat. Sie wird rassistisch beleidigt und angefeindet, und sieht, wie ihre schwarzen Brüder und Schwestern nach wie vor diskriminiert werden. Aus ihren eigenen Erfahrungen heraus engagiert sie sich politisch. Sie kämpft als Aktivistin gegen Rassismus, und im französischen Widerstand gegen Hitler und die deutsche Besatzung von Paris. Im Jahr 2021, 50 Jahre nach ihrem Tod, wird sie von Emanuel Macron als erste Amerikanerin und als erste Schwarze in das Französische Pantheon aufgenommen. Ihr Sarg steht neben dem von Victor Hugo und Voltaire.

 

Riedlingen wurde bereits drei Wochen vor Ende das Krieges von den französischen Truppen besetzt – wenige Wochen nachdem die mit Hitler kollaborierende französische Vichy-Regierung aus dem benachbarten Sigmaringen geflohen war. Zur moralischen Aufrüstung der Soldaten veranstaltete die französische Kommandantur einige Konzerte mit der Ikone der französischen Armee, Josephine Baker. Weshalb dazu gerade das Stadttheater Riedlingen ausgewählt wurde, ist nicht überliefert, ebenso wenig, dass es einen weiteren Auftritt in Baden-Württemberg gegeben hätte.

Obwohl es von dem Auftritt kurz nach Ende des Krieges weder Fotos noch Zeitungsartikel gibt (Zeitungsverbot) ist diese Veranstaltung im Juni 1945 und die Übernachtung Bakers in Riedlingen durch den Heimatforscher Prof. Winfried Aßfalg über mehrere unabhängigen Quellen eindeutig belegt. Dazu gibt es verschiedene Tagebuchaufzeichnungen und auch noch zwei hochbetagte Zeitzeugen.

Die Bevölkerung Riedlingens selbst durfte natürlich an dem Konzert der Besatzungsmacht nicht teilnehmen. Die Bürger waren allerdings auf vielfältige Art involviert. So wurde ihnen befohlen organisatorische Unterstützung und Sachleistungen zu erbringen. Auch waren sie z.B. für die Bereitstellung von Geschirr, Essen und Getränken sowie der Straßenbeleuchtung vor dem Theater zuständig.

Zu den Details gibt es überlieferte Anekdoten, wie den Befehl zur Bereitstellung von blauer Bettwäsche oder das Aufbügeln der knappen Bühnengarderobe in der Klosterschule St.Agnes.

 

Der Kinoverein Riedlingen e.V. plant im nächsten Jahr, zum 80.Jahrestag, mit einer Jubiläumsveranstaltung an dieses Ereignis zu erinnern.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Josephine_Baker

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Mit einem Augenzwinkern sei hier noch die kleine Geschichte von einer anderen „Berühmtheit“ im Riedlinger Kino angefügt.
Keine Person von Weltruhm, aber ein A-Promi aus den Riedlinger Nachkriegsjahren.

EDMUND EICHELSER SEN.
(*1890  /  +1974),

also der Vater von dem gleichnamigen Zunftmeister, war ein ganz großer Freund der Lichtspiele im Stadttheater. Es ist nicht überliefert, wann diese Leidenschaft begann, aber man weiß, dass er auch noch als nicht mehr so ganz junger Mann, in den Sechzigern und Anfang der Siebziger jeden Sonntag, wirklich ohne Ausnahme, kurz vor 14:30 Uhr seinen Platz hinten links einnahm um sich jedem gebotenen Programm hinzugeben.

Dabei saß er nicht etwa in einer Reihe mit den vielfach sehr viel jüngeren Besuchern im Enkelalter, Opa Eichelser hatte seinen eigenen Stuhl in der hinteren Ecke. Da saß er direkt neben dem Platzanweiser und konnte praktischerweise bei Bedarf eigenhändig in die Lautstärkeregelung eingreifen.


Dem Kino-Fan war es einerlei, ob im Nachmittagsprogramm Hänsel und Gretel oder Pipi Langstrumpf lief, ebenso war er den Winnetou-Folgen I-III zugetan, aber vielleicht war auch mal ein Oswald-Kolle im Programm.

Edmund Eichelser sen., dem Mann mit dieser unbändigen Kino-Leidenschaft über Jahrzehnte und seiner Verbundenheit mit dem Lichtspielhaus Riedlingen, sei hier ein kleines Denkmal gesetzt !

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